Ein aktueller Artikel der Tagesschau „Wie Nahrungsergänzungsmittel der Leber schaden“ warnt vor den potenziellen leberschädigenden Wirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln, insbesondere solchen mit Curcumin. Wenn du mehr über Curcumin erfahren möchtest, kannst du in dem Artikel „Wieviel Kurkuma am Tag?“ darüber lesen.
Vorab ein paar Worte
Falls du Nahrungsergänzungsmittel in Betracht ziehst, sollten meiner Meinung nach einige Fragen beantwortet werden, wie: „Ist die Wirkung in dieser oder jener Situation nachgewiesen oder ausreichend belegt?“ und „Ist das Supplement sicher?“.
Curcumin und die Leber
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfehlen, eine akzeptable tägliche Aufnahmemenge (acceptable daily intake, ADI) von 3 mg Curcumin pro kg Körpergewicht täglich nicht zu überschreiten3. Für eine 80 kg schwere Person entspricht dies 240 mg pro Tag. Der ADI ist ein toxikologischer Wert, der die Menge einer Substanz darstellt, die täglich ein Leben lang ohne erkennbare schädliche Wirkungen eingenommen werden kann4.
Das BfR hat in seiner Stellungnahme „Curcumin in Nahrungsergänzungsmitteln: Gesundheitlich akzeptable tägliche Aufnahmemenge kann überschritten werden“ (2021) darauf hingewiesen, dass es Berichte über mögliche schädliche Wirkungen auf die Leber durch Curcumin gibt. Diese Berichte umfassen Fälle von akuten Leberschäden, die zeitlich mit der Einnahme von Curcumin-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln zusammenfielen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Berichte Einzelfälle sind und nicht unbedingt auf die allgemeine Bevölkerung übertragbar. In den meisten Fällen handelte es sich um Präparate, die neben hochdosiertem Curcumin auch andere pflanzliche Inhaltsstoffe wie Piperin oder Mischungen verschiedener Pflanzenextrakte enthielten. Nur wenige der berichteten Fälle betrafen Personen, die keine weiteren Medikamente einnahmen. In den meisten Fällen wurden entweder zusätzliche Medikamente eingenommen oder es lagen keine Informationen dazu vor. Die genaue Ursache der Leberschäden bleibt unklar. Neben Curcumin könnten auch andere Faktoren eine Rolle spielen. Da viele der betroffenen Personen auch Medikamente einnahmen, könnten Wechselwirkungen zwischen Curcumin und/oder Piperin und diesen Medikamenten zu den Leberschäden beigetragen haben. Auch die anderen pflanzlichen Inhaltsstoffe in den Präparaten könnten eine Rolle gespielt haben. Zudem können sich die Zusammensetzungen von Curcuma-Extrakten je nach Herstellungsverfahren unterscheiden und neben Curcumin auch andere Bestandteile der Curcuma-Wurzel in unterschiedlichen Mengen enthalten4.
Systematische Übersichtsarbeiten mit Meta-Analysen, wie die von Dehzad et al. (2023)6 und Ngu et al. (2022)7, zeigen, dass die Einnahme von Curcumin die Blutwerte von Leberenzymen positiv beeinflussen kann.6,7 Dazu gleich mehr. Zunächst aber einige Infos dazu, was Systematic Reviews sowie Meta-Analysen sind und was sich hinter sogenannten randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) verbirgt. Außerdem erfährst du, was Leberenzyme über den Zustand der Leber aussagen. Systematic Reviews sind systematische Übersichtsarbeiten, die möglichst alle verfügbaren Forschungsergebnisse zu einem bestimmten Thema zusammenfassen und bewerten.8 Meta-Analysen sind statistische Methoden, die die Ergebnisse mehrerer Studien kombinieren, um zu einer umfassenderen Schlussfolgerung zu gelangen.8 Die gerade genannten Untersuchungen von Dehzad et al. (2023)6 und Ngu et al. (2022)7 basieren auf RCTs, die als Goldstandard in der klinischen Forschung gelten.9 RCTs sind Studien, bei denen die Teilnehmer zufällig in eine Behandlungsgruppe oder eine Kontrollgruppe eingeteilt werden. Diese Methode minimiert Verzerrungen und ermöglicht es in vielen Fällen noch besser, kausale Zusammenhänge zwischen der Behandlung und den beobachteten Effekten zu identifizieren.9
Im Blut kann man bestimmte Enzyme der Leber messen, um zu überprüfen, wie sich zum Beispiel bestimmte Medikamente auf die Lebergesundheit auswirken können. Häufig gemessene Enzyme sind Alanin-Aminotransferase (ALT), Aspartat-Aminotransferase (AST) und Gamma-Glutamyltransferase (GGT). Wenn die Werte dieser Enzyme steigen, kann dies potenziell auf eine negative Wirkung auf die Leber hinweisen, während das Sinken erhöhter Werte auf eine Verbesserung der Lebergesundheit hindeuten kann.10
Die Meta-Analyse von Dehzad et al. (2023)6 umfasste 31 RCTs und zeigte, dass Curcumin die Blutwerte von ALT und AST, nicht aber von GGT, signifikant senken kann (in der Wissenschaft bedeutet „signifikant“, dass das Ergebnis statistisch bedeutsam ist und nicht durch Zufall erklärt werden kann).
Die Meta-Analyse von Ngu et al. (2022) umfasste 16 RCTs mit insgesamt 1028 Teilnehmern und ergab, dass Curcumin als ergänzende Behandlung bei Patienten mit nicht-alkoholischer Fettlebererkrankung (non-alcoholic fatty liver disease, NAFLD) vorteilhafte Effekte haben kann.7 NAFLD ist weltweit die häufigste Lebererkrankung und die Hauptursache für leberassoziierte Sterblichkeit.11 Übergewicht und Typ-2-Diabetes stehen in Verbindung mit NAFLD.11
Die Analyse von Ngu et al. (2022)7 zeigt, dass Curcumin die Schwere der NAFLD verbessern sowie die Werte von AST und ALT reduzieren kann. Diese Ergebnisse unterstützen die Verwendung von Curcumin als ergänzende Behandlung bei NAFLD-Patienten. Die Analyse hat gezeigt, dass eine Curcumin-Dosierung von weniger als 500 mg/Tag die Leberwerte signifikant senken kann. Höhere Dosierungen (> 500 mg/Tag) führten offenbar zu keiner Verbesserung der Leberenzyme. Zudem wurde festgestellt, dass eine Dosierung von weniger als 500 mg/Tag auch die Werte von LDL (Low-Density Lipoprotein) senken konnte, während höhere Dosierungen von 500 mg/Tag oder mehr die Werte von HDL (High-Density Lipoprotein) senkten und die Werte von LDL erhöhten.
LDL und HDL sind Transporter für Cholesterin im Blut und beide sind wichtig für den Körper.12 LDL transportiert Cholesterin zu den Zellen, wo es benötigt wird, während HDL überschüssiges Cholesterin zurück zur Leber transportiert, wo es abgebaut wird.12 LDL wird oft als „schlechtes“ Cholesterin bezeichnet, da hohe Werte das Risiko für Herzkrankheiten erhöhen können, während HDL als „gutes“ Cholesterin gilt, da höhere Werte schützend wirken können.12 Wenn das Cholesterin, das von LDL zu den Zellen geliefert wird, um deren Aufgaben zu erfüllen, nicht wieder von HDL zurück zur Leber transportiert wird, kann es sich in den Arterienwänden ablagern.12 Zu viel LDL und zu wenig HDL, insbesondere gleichzeitig, kann also das Risiko für Atherosklerose (umgangssprachlich „verstopfte Arterien“) und daraus resultierenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.12
Eine Dosierung von Curcumin, die 500 mg/Tag oder mehr überschreitet, könnte potenziell negative Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System bei Personen mit diagnostizierter NAFLD haben, indem sie das Gleichgewicht zwischen LDL und HDL stört (eigene Aussage).
Curcumin und Arthrose
Eine weitere Meta-Analyse von Feng et al. (2022),13 die ebenfalls RCTs umfasste, untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von Curcumin bei der Linderung von Schmerzen und Funktionsstörungen bei Kniearthrose. Die Ergebnisse zeigen, dass Curcumin signifikant wirksamer als Placebos bei der Verbesserung der Schmerzen (gemessen mit der visuellen Analogskala, VAS) und der Funktion (gemessen mit dem WOMAC-Index) sein kann. Die visuelle Analogskala (VAS) ist eine Methode zur Bewertung beispielsweise der Schmerzintensität auf einer Skala von 0 bis 10.9 Der WOMAC-Index bewertet zum Beispiel die Gelenkfunktion und Steifheit bei Arthrose und umfasst unter anderem den WOMAC Funktionsscore und den WOMAC Steifheitsscore.13 Curcumin erwies sich in der Analyse von Feng et al. (2022)13 als ebenso wirksam wie nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac bei der Linderung von Schmerzen und der Verbesserung der Funktionsfähigkeit. Darüber hinaus führte die Einnahme von Curcumin nicht zu einer signifikant höheren Häufigkeit von Nebenwirkungen im Vergleich zu NSAR.13 Die beschriebenen Effekte bezüglich Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung wurden bei Dosierungen von 80 bis 2000 mg pro Tag beobachtet.13 Interessanterweise wurde außerdem berichtet, dass Dosierungen von weniger als 1000 mg Curcumin pro Tag bei der Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung wirksamer waren als höhere Dosierungen.13 Dies könnte daran liegen, dass in den Studien mit niedrigeren Dosen bio-optimierte Curcumin-Formulierungen verwendet wurden.13
Eine systematische Überprüfung und Meta-Analyse von Zeng et al. (2021),14 die 15 RCTs mit insgesamt 1621 Teilnehmern umfasste, bestätigte die Ergebnisse von Feng et al. (2022)13 hinsichtlich der Wirksamkeit von Curcumin bei der Reduktion von Schmerzen (VAS) und der Verbesserung der Gelenkfunktion und Steifheit (WOMAC Funktionsscore und WOMAC Steifheitsscore) bei Patienten mit Arthrose. Im Vergleich zu NSAR zeigte Curcumin eine vergleichbare Wirksamkeit bei geringeren Nebenwirkungen.14 Die Dosierungen in den betrachteten Studien reichten von 40 mg bis 2000 mg pro Tag, wobei keine schwerwiegenden Nebenwirkungen berichtet wurden und Nebenwirkungen generell weniger häufig auftraten als bei Einnahme von NSAR.14 Zeng et al. (2021) zeigen, dass Curcumin nicht nur ein effektives Supplement für Arthrosepatienten sein könnte, sondern auch weniger negative Begleiterscheinungen im Vergleich zur Einnahme typischer Schmerzmittel aufweisen kann. Die Autoren kamen außerdem zu dem Schluss, dass Curcumin zur Linderung von Arthrosesymptomen über einen Zeitraum von mehr als 12 Wochen eingenommen werden sollte, um die volle Wirkung zu erzielen.14
Zeng et al. (2021) stellten fest, dass die Einnahme von Curcumin in den untersuchten Dosierungen über längere Zeiträume als sicher angesehen werden kann. Insbesondere scheinen Dosierungen von 500 mg über 16 Wochen, bis zu 1.000 mg über 12 Wochen und 2.000 mg über 6 Wochen sicher zu sein. Allerdings kann die Analyse keine Aussagen über Zeiträume von mehr als 16 Wochen treffen, da die einbezogenen Studien eine Dauer von mindestens 4 bis maximal 16 Wochen hatten. Die Angaben zu den sicheren Dosierungen und Zeiträumen sind daher durch die Länge der einbezogenen Studien begrenzt. Theoretisch könnten auch längere Zeiträume mit den angegebenen Dosierungen sicher sein, jedoch können darüber keine Aussagen getroffen werden.14
Schlussfolgerung und Hinweise zur Einnahme von Curcumin
Die Ergebnisse der verschiedenen Berichte und Untersuchungen unterstreichen die Bedeutung einer ausgewogenen Betrachtung der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Notwendigkeit weiterer Forschung, um die langfristigen Auswirkungen der Curcumin-Einnahme auf die Lebergesundheit und andere Gesundheitsaspekte vollständig zu verstehen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weist darauf hin, dass Curcumin-haltige Nahrungsergänzungsmittel verantwortungsvoll verwendet werden sollten. Verbraucher sollten bei bestehenden Erkrankungen oder der Einnahme anderer Medikamente einen Arzt konsultieren, bevor sie Curcumin einnehmen. Dies gilt insbesondere für Personen mit potenziellen Risikofaktoren für nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) wie Übergewicht und Diabetes. In solchen Fällen ist es ratsam, vor der Supplementation Rücksprache mit einem Arzt zu halten und die Leberwerte regelmäßig überwachen zu lassen. Auch bei einer länger ununterbrochenen Supplementation mit hohen Dosierungen könnte es sinnvoll sein, die Leber-, Blutfett- und Cholesterinwerte regelmäßig überprüfen zu lassen.
Hinweise zur Dosierung:
- Akzeptable tägliche Dosis: Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfehlen, langfristig nicht mehr als 3 mg Curcumin pro kg Körpergewicht pro Tag zu sich zu nehmen. Für eine 80 kg schwere Person entspricht dies 240 mg pro Tag.
- Weniger als 500 mg pro Tag: Dosierungen in Mengen von bis zu 500 mg scheinen die Leberwerte (ALT und AST) wirksam zu senken. Außerdem könnte die Supplementierung von bis zu 500 mg Curcumin auch die LDL-Werte reduzieren, ohne die HDL-Werte negativ zu beeinflussen.
- 500 mg pro Tag oder mehr: Höhere Dosierungen scheinen keine signifikanten Verbesserungen der Leberwerte zur Folge zu haben und könnten das Verhältnis zwischen LDL und HDL stören. Eine Störung von LDL/HDL könnte potenziell negative Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System haben.
- Für Arthrose-Patienten: Dosierungen innerhalb und über der vom BfR empfohlenen Höchstmenge sowie über 500 mg pro Tag scheinen effektiv Athrose-Symptome zu lindern. Wobei offenbar auch Dosierungen von 500 mg über 16 Wochen, Dosierungen bis zu 1.000 mg über 12 Wochen und Dosierungen von 2.000 mg über 6 Wochen sicher eingenommen werden können. Dennoch könnte es auch hier sinnvoll sein, vor der Einnahme von Curcumin einen Arzt zu konsultieren.
Referenzen
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3. Bundesinstitut für Risikobewertung. Curcumin in Nahrungsergänzungsmitteln: Gesundheitlich akzeptable tägliche Aufnahmemenge kann überschritten werden: Stellungnahme Nr. 040/2021 des BfR vom 14. Dezember 2021. 2021; veröffentlicht online Dezember 14. DOI, 10, 20211214-121912.
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