Abduktoren

Abduktoren Aufbau

Der Begriff Abduktoren (kommt vom lat. „abducere“ ≙ „wegführen“) bezeichnet im allgemeinen sportbezogenen oder medizinischen Sprachgebrauch meist eine Gruppe von Muskeln, die am Gesäß bzw. an dessen Außenseite liegen. Muskeln, die diese Abduktoren Funktion ausführen gibt es aber natürlich auch in anderen Körperregionen. In diesem Artikel geht es ausschließlich um die Abduktorengruppe, die auf das Hüftgelenk wirkt. Ein GRATIS PDF wartet ganz unten auf dich. 😉 Die wahrscheinlich wichtigsten Abduktoren sind Thema dieses Artikels und im Folgenden aufgelistet sowie in Abbildung 1 und 2 dargestellt:

(1) M. gluteus medius (lat. „gluteus“ ≙ „Gesäß“; lat. „medius“ ≙ „der mittlere“)

(2) M. gluteus minimus (lat. „minimus“ ≙ „der kleinste“)

(3) M. gluteus maximus (lat. „maximus“ ≙ „der größte“)

(4) M. tensor fasciae latae (auch „Schenkelbindenspanner“; lat. „tendere“ ≙ „spannen“; lat. „fasciae“ ≙ „Binde“ oder „Band“; lat. „latae“ ≙ „breit“ oder „weit“)

(5) M. piriformis (lat. „piriformis“ ≙ „birnenförmig“)

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M. gluteus medius

Wie in Abb. 3 zu erkennen ist, befindet sich der Gluteus medius seitlich im Gesäßbereich. Vergleicht man Abb. 1 und 3 so ist festzustellen, dass der mittlere Gesäßmuskel teilweise von dem Gluteus maximus verdeckt wird. Ausgehend von seinem breiten Ursprung am Darmbein bzw. der Darmbeinschaufel zieht der Gluteus medius zum großen Rollhügel, um dort mit einer flachen Sehne oben auf der Spitze, leicht zur Außenseite hin orientiert, anzusetzen (Palastanga & Soames, 2015; der genaue Ursprungsbereich, gem. Waschke, Böckers & Paulsen (2019): „Facies glutea“ des Darmbeins zwischen „Lineae gluteae anterior“ und „Lineae gluteae posterior“; Hinweis: „großer Rollhügel“ ≙ „Trochanter major“).

Abduktoren Muskeln

M. gluteus minimus

Wie in Abb. 1 und 4 zu erkennen ist, wird der kleine Gesäßmuskel vom Gluteus medius teilweise verdeckt. Der Gluteus minimus entspringt am Darmbein und zieht zum großen Rollhügel. Dort setzt der Gluteus minimus oben, aber eher im vorderen Bereich an (Palastanga & Soames, 2015; der genaue Ursprungsbereich, gem. Waschke, Böckers & Paulsen (2019): „Facies glutea“ des Darmbeins zwischen „Lineae gluteae anterior“ und „Lineae gluteae inferior“).

 

M. gluteus maximus

Wie in Abbildung 12 und 13 gut zu erkennen ist, hat der große Gesäßmuskel hat einen weiten Ursprung. Im Wesentlichen entspringt er am Darmbein, Kreuzbein, an einem Band im hinteren Teil des Beckens und einer großen Faszie im Lendenbereich (die Ursprünge etwas genauer: „Facies glutea“ am „Os ilium“; „Facies posterior“; „Lig. Sacrotuberale“; „Fascia thoracolumbalis“). Der kraniale Teil des Muskels zieht nach außen und hinunter, um auf der Außenseite des Oberschenkels in einen derben Bindegewebsstrang als Teil einer großen Faszie, welche die Muskeln des Oberschenkels umgibt, einzustrahlen. Der kaudale Teil des Gluteus maximus setzt an einem rauen Bereich zwischen dem großen Rollhügel und einer Knochenleiste am Oberschenkel an (Waschke, Böckers & Paulsen, 2019; der genannte Bindegewebsstrang ≙ „Iliotibialtrakt“ oder „Tractus iliotibialis“; die genannte Faszie ≙ „Fascia lata“; der raue Bereich ≙ „Tuberositas glutea“; die Leiste ≙ „Linea aspera“).

Gluteus Maximus

M. tensor fasciae latae

An der Seite des Hüftgelenks, teilweise über dem kleinen Gesäßmuskel, entspringt der Tensor fasciae latae am Darmbein (Abb. 7). Er zieht außen am Oberschenkel Richtung Kniegelenk hinunter und fließt mit seinem kleinen Muskelbauch bereits unterhalb des großen Rollhügels in den Iliotibialtrakt hinein. Der Übergang in den Iliotibialtrakt verlängert den Muskelansatz des Muskels zum Schienbein (der Ursprungsbereich kann, gem. Flack, Nicholson & Woodley (2012) insbesondere auf folgende Bereiche eingegrenzt werden: seitlich vorne an der „Crista iliaca“ ≙ „Darmkamm“/“Beckenkamm“, hier vorwiegend seitlich an der „Spina iliaca anterior superior“, außerdem die tiefe Schicht der „Fascia lata“; gem. Waschke, Böckers & Paulsen (2019) wäre der letztendliche Ansatz des Muskels, mit Hilfe des Iliotibialtrakts, unterhalb des äußeren Gelenkknorrens des Schienbeins ≙ „Condylus lateralis“; „Fascia lata“ die Faszie umgibt Muskeln des Oberschenkels und des Gesäßbereichs; Iliotibialtrakt ≙ bestimmter Bereich der „Fascia lata“, in den der große Gesäßmuskel sowie Tensor fasciae latae einstrahlen → Waschke, Böckers & Paulsen, 2019).

Tensor fascia latae

M. piriformis

Dieser birnenförmige oder auch kegelartig geformte Muskel (Abb. 8) entspringt im Wesentlichen auf der gleichseitigen Kreuzbeinhälfte (2. bis 4. Kreuzbeinwirbel). Auf seinem Weg vom Ursprung verbindet sich der Piriformis mit einigen anderen Strukturen, wie der Gelenkkapsel (Solomon et al., 2010) und einem Band am hinteren Beckenbereich (Palastanga & Soames, 2015). Seinen Ansatz findet der Piriformis am oberen Bereich des großen Rollhügels (das genannte Band ≙ „Ligamentum sacrotuberale“).

Piriformis

Abduktoren Funktionen

Die in diesem Beitrag aufgeführten Muskeln haben zahlreiche Funktionen. Alle genannten Muskeln unterstützen die Abduktion im Hüftgelenk – sie spreizen also den Oberschenkel ab.

Beispiele:

  1. Du liegst auf der linken Seite, spreizt das rechte Bein ab und probierst es so weit wie möglich nach oben zu bringen.
  1. Du sitzt in der Bahn auf einer Sitzreihe. Die einzelnen Sitze haben keine Lehnen, sodass man sich frei über die Plätze bewegen könnte. Jetzt rutschst du, ohne aufzustehen, einen Sitzplatz weiter.

Gem. Waschke, Böckers & Paulsen (2019) sind die kleinen Gluten („kleine Gluten“ ≙ Sammelbegriff für „Gluteus medius“ und „Gluteus minimus“) von den beschriebenen Muskeln die wichtigsten Abduktoren

Abduktoren – Funktionelle Aktivität

Die genannten Muskeln haben insgesamt eine große Bedeutung beim Gehen sowie Laufen. Sie sind mitunter sehr wichtig, wenn es darum geht das Becken im Einbeinstand zu stabilisieren. Insbesondere die kleinen Gluten spielen hierbei eine wichtige Rolle. Steht man auf einem Bein, würde das Becken auf der Spielbeinseite absacken, wäre nicht eine Sicherung vorhanden. Diese Absicherung leisten die kleinen Gesäßmuskeln. Wird das Bein abgehoben sorgen der Gluteus medius und der gluteus minimus auf der Standbeinseite durch Anspannung dafür, dass das Becken auf der Gegenseite oben gehalten wird. Die Seite des Beckens auf der das Bein angehoben wird würde also heruntersacken, wenn unter anderem die Ansteuerung der kleinen Gesäßmuskeln nicht regelgerecht funktioniert oder die Mechanik funktionell beeinträchtigt ist (Palastanga & Soames, 2015; Waschke, Böckers & Paulsen, 2019). Solch eine fehlerhafte Beckenfunktion bezeichnet man als „Trendelenburg-Zeichen“ oder „Hüft-Hinken“ (Hüter-Becker & Dölken, 2011). Neben dieser wichtigen Stabilisierungsfunktion lösen die kleinen Gluten mit Hilfe von Muskeln, wie dem Tensor fasciae latae, beim Gehen bzw. Laufen eine Innenrotation der gleichen Beckenseite, mit dem Oberschenkel als dem Fixpunkt, aus (Palastanga & Soames, 2015). Die kleinen Gluten sind wahrscheinlich die wichtigsten Muskeln der Innenrotation und unterstützen auch die Hüftbeugung (beides durch die vorderen Fasern). Außerdem helfen die hinteren Fasern der kleinen Gesäßmuskeln bei der Hüftstreckung und Außenrotation im Hüftgelenk (Presswood et al., 2008; Waschke, Böckers & Paulsen, 2019).

Die zwei wichtigsten Funktionen des Gluteus maximus bestehen zwar darin im Hüftgelenk, insbesondere aus einer gebeugten Stellung, zu strecken und außerdem im Hüftgelenk nach außen zu rotieren. Allerdings unterstützt der große Gesäßmuskel durch den Ansatz am Iliotibialtrakt (der kraniale Ansatz) auch eine Abduktion und kann über diesen Ansatz auch bei der Kniestreckung helfen sowie eine stabilisierende Wirkung auf die Knieaußenseite entfalten (Waschke, Böckers & Paulsen, 2019). Mit seinem Ansatz am Oberschenkel kann er auch bei der Adduktion mitwirken. Möchtest du mehr über die Adduktion Der große Gesäßmuskel spielt auch eine wichtige Rolle bei der Beckenstabilisierung im Stand sowie beim Gehen (Palastanga & Soames, 2015).

Neben dem großen Gesäßmuskel zieht auch der Tensor fasciae latae in den Iliotibialtrakt. Demzufolge können die kranialen Fasern des Gluteus maximus zusammen mit dem Tensor den Iliotibialtrakt spannen (Palastanga & Soames, 2015) und so das Kniegelenk in Streckstellung stabilisieren (Waschke, Böckers & Paulsen, 2019). Der Tensor trägt also durch Ursprung, Verlauf und Ansatz dazu bei, die Bewegungen von Becken und Oberschenkel auf dem Schienbein zu stabilisieren (Palastanga & Soames, 2015). Aber anders als der große Gesäßmuskel zieht der Tensor vorne und nicht hinten, in den Iliotibialtrakt und kann daher die Zugwirkung des Gluteus maximus auf diesen Bindegewebsstrang ausgleichen (Palastanga & Soames, 2015). Zusätzlich ist der Tensor fasciae latae auch an der Hüftbeugung sowie Innenrotation im Hüftgelenk beteiligt (Palastanga & Soames, 2015; Waschke, Böckers & Paulsen, 2019).

Wenn es um die Abduktion geht, dann ist der Piriformis in der anatomischen Normalstellung* nicht so stark, in dieser Position regt eher eine Außenrotation im Hüftgelenk an. Anders sieht es im Sitzen aus, weil sich hier die Zugrichtung des Muskels verändert. Bei einer Bewegung, wie im 2. Beispiel oben genannt oder wenn man aus dem Auto aussteigen möchte, wird der Piriformis stärker in die Abduktionsbewegung mit einbezogen. Zudem hilft der Piriformis das Becken, insbesondere bei Rumpfdrehung, zu stabilisieren (Palastanga & Soames, 2015).

* Anatomische Normalstellung → aufrechter Stand, Gesicht zeigt nach vorne, Arme hängen an den Seiten herab, Handflächen zeigen nach vorne (oder zum Körper), Beine nebeneinander (hüftbreit auseinander), Füße zeigen gerade nach vorne (Sobotta, 2017)

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Literatur

  1. Flack, N. A. M. S., Nicholson, H. D., & Woodley, S. J. (2012). A review of the anatomy of the hip abductor muscles, gluteus medius, gluteus minimus, and tensor fascia lata. Clinical anatomy, 25(6), 697-708.
  1. Hüter-Becker, A., & Dölken, M. (2011). Biomechanik, Bewegungslehre, Leistungsphysiologie, Trainingslehre. Georg Thieme Verlag.
  1. Palastanga, N., & Soames, R. (2015). Anatomie und menschliche Bewegung: Strukturen und Funktionen. Elsevier, Urban & Fischer Verlag.
  1. Presswood, L., Cronin, J., Keogh, J. W., & Whatman, C. (2008). Gluteus medius: applied anatomy, dysfunction, assessment, and progressive strengthening. Strength & Conditioning Journal, 30(5), 41-53.
  1. Sobotta, J. (2017). Sobotta, Atlas der Anatomie Band 1: Allgemeine Anatomie und Bewegungsapparat. Deutschland: Urban & Fischer in Elsevier.
  1. Solomon, L. B., Lee, Y. C., Callary, S. A., Beck, M., & Howie, D. W. (2010). Anatomy of piriformis, obturator internus and obturator externus: implications for the posterior surgical approach to the hip. The Journal of bone and joint surgery. British volume, 92(9), 1317-1324.
  1. Waschke, J., Böckers, T. M., & Paulsen, F. (Eds.). (2019). Sobotta Lehrbuch Anatomie. Elsevier Health Sciences.

 

Anmerkung:

Wenn im Text die Quelle zu den Informationen nicht separat angegeben ist, dann sind die Erkenntnisse in jeder der o. g. Quellen 3, 5, 7 zu finden. 

Die anatomischen Begriffe bzw. die nicht fachspezifischen Vorsilben sind aus Sobotta (2017). 

Die anatomischen Abbildungen wurden mit Anatomy Learning erstellt. https://anatomylearning.com/

 

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