Das menschliche Immunsystem ist ein komplexes Netzwerk aus Zellen, Chemikalien und Prozessen, das den Körper (z. B. Haut, Atemwege, Magen-Darm-Trakt) vor Fremdkörpern wie Mikroben, Viren, Toxinen, Pilzen und sogar Krebszellen schützt. Es stützt sich auf zwei fundamentale Verteidigungslinien: das angeborene und das adaptive (oder erworbene) Immunsystem. Die angeborene Immunität stellt die erste, schnelle und unspezifische Abwehrreaktion dar. Die adaptive Immunität hingegen ist darauf spezialisiert, gezielt gegen spezifische Erreger vorzugehen und ein immunologisches Gedächtnis für zukünftige Infektionen zu entwickeln.1
Hier tauchen wir tiefer in ein faszinierendes Thema ein, das für deine Gesundheit und Fitness von zentraler Bedeutung ist: dein Immunsystem. Wir haben es bereits als eine zweistufige Armee beschrieben. Jetzt schauen wir uns die einzelnen Truppen, ihre Kommunikationswege und ihre spezialisierten Waffen genauer an.
Die erste Säule: Das angeborene Immunsystem
Die schnelle Eingreiftruppe🛡️
Das angeborene Immunsystem ist deine erste und schnellste Verteidigungslinie. Es ist ein Abwehrmechanismus, der sofort oder innerhalb weniger Stunden nach dem Kontakt mit einem Erreger reagieren kann. Diese Abwehr ist antigenunabhängig (unspezifisch). Das bedeutet, sie bekämpft Eindringlinge auf eine allgemeine Weise. Ein entscheidendes Merkmal ist, dass es kein immunologisches Gedächtnis aufbaut; es kann den Erreger bei einem erneuten Kontakt also nicht „wiedererkennen“.1

Die Barrieren: Mehr als nur eine Mauer
Die erste Abwehr besteht aus cleveren Barrieren, die Eindringlinge blockieren sollen:1
- Anatomische Barrieren: Deine Haut und Schleimhäute beispielsweise sind nicht nur eine mechanische Mauer, sondern ihr pH-Wert hemmt auch das Wachstum von Mikroben. Die Schleimhäute in Atemwegen und Darm fangen Fremdkörper ein, während Flimmerhärchen dabei helfen, sie wieder aus dem Körper zu transportieren.
- Physiologische Barrieren: Die Körpertemperatur (z. B. bei Fieber) kann das Wachstum einiger Krankheitserreger hemmen. Im Magen tötet die aggressive Säure die meisten Mikroben ab. Zudem gibt es chemische Mediatoren wie das Lysozym, das die Zellwände von Bakterien spalten kann, oder Interferone, die nicht infizierte Zellen in einen antiviralen Verteidigungszustand versetzen.
- Endozytische und phagozytische Barrieren: Hierbei handelt es sich um Zellen wie Makrophagen und Neutrophile, die aktiv Mikroben „verschlingen“ und abbauen können.
- Entzündliche Barrieren: Eine Entzündungsreaktion ist eine wichtige angeborene Abwehrmaßnahme, die dazu dient, Erreger zu isolieren und Immunzellen zum Infektionsort zu locken
Die zelluläre Eingreiftruppe und ihre Kommunikationswege
Wenn ein Erreger die Barrieren überwindet, trifft er auf spezialisierte Zellen und Systeme.1
- Phagozyten („Fresszellen“)
- Neutrophile sind die häufigsten Fresszellen und quasi die Ersthelfer am Ort des Geschehens. Sie sind kurzlebig und haben die Aufgabe, Mikroben zu verschlingen und durch aggressive Enzyme in ihrem Inneren zu zerstören.
- Makrophagen sind langlebige Fresszellen, die nicht nur „fressen“, sondern auch eine entscheidende zweite Rolle spielen: Sie präsentieren Teile der verdauten Erreger den T-Zellen und schlagen so die Brücke zum adaptiven Immunsystem.
- Dendritische Zellen: Diese agieren als die wichtigsten Boten zwischen dem angeborenen und dem adaptiven System. Sie verschlingen ebenfalls Erreger und präsentieren deren Antigene, um die adaptive Immunantwort einzuleiten.
- Mastzellen: Sie sind wichtige „Wachposten“ (Sentinel-Zellen), die bei einer Infektion oder Verletzung sehr früh Signalstoffe (Zytokine) ausschütten und so Entzündungsreaktionen einleiten.
- Natürliche Killerzellen (NK-Zellen): Diese Zellen patrouillieren und sind darauf spezialisiert, virusinfizierte Körperzellen und Tumorzellen zu erkennen und zu vernichten. Sie tun dies, indem sie Proteine namens Perforine und Granzyme freisetzen, welche die Zielzelle in den programmierten Zelltod (Apoptose) treiben.
Zwei weitere wichtige Konzepte der angeborenen Immunität sind:1
- Zytokine – Das sind kleine Proteine, die als Kommunikationsmoleküle zwischen den Immunzellen dienen. Wichtige Entzündungszytokine wie TNF, IL-1 und IL-6 koordinieren die Zellrekrutierung und können auch Fieber auslösen.
- Das Komplementsystem – Dieses System ist eine Kaskade von Proteinen im Blut, die Krankheitserreger sozusagen markieren kann, um sie für Fresszellen „schmackhafter“ zu machen oder sie direkt zu zerstören.
Die zweite Säule: Das adaptive Immunsystem
Die Spezialeinheit 🎯
Wenn die angeborene Abwehr einen Eindringling nicht effektiv eliminieren kann, wird in der Regel die hochspezialisierte zweite Verteidigungslinie auf den Plan gerufen. Diese Abteilung reagiert langsamer, ist aber dafür extrem präzise und vor allem lernfähig. Ihre Superkraft ist das immunologische Gedächtnis, welches bei einer Zweitinfektion eine schnellere und stärkere Reaktion ermöglicht. Dieses Prinzip ist die Grundlage für die Wirksamkeit von Impfungen.1

Die Akteure und ihre Aktivierung
Die Stars des adaptiven (erworbenen) Immunsystems sind die Lymphozyten: T-Zellen und B-Zellen.1
- T-Zellen: Man kann sie als die „Manager“ und „Killer“ der Spezialeinheit betrachten.1
- Aktivierung: Eine T-Zelle wird aktiv, wenn ihr eine antigenpräsentierende Zelle (APC), z.B. eine Makrophage, ein Bruchstück eines Erregers auf speziellen Präsentiertellern, den MHC-Molekülen, zeigt (MHC, major histocompatibility complex, „Haupthistokompatibilitätskomplex“).
- T-Helferzellen (CD4+): Sie sind die Koordinatoren. Je nach Bedrohung können sie unterschiedliche Reaktionen steuern. Eine Th1-Antwort ist z.B. wichtig zur Aktivierung von Makrophagen im Kampf gegen intrazelluläre Bakterien. Eine Th2-Antwort hingegen hilft bei der Abwehr von Parasiten und ist stark an allergischen Reaktionen beteiligt.
- Aktivierung: Eine T-Zelle wird aktiv, wenn ihr eine antigenpräsentierende Zelle (APC), z.B. eine Makrophage, ein Bruchstück eines Erregers auf speziellen Präsentiertellern, den MHC-Molekülen, zeigt (MHC, major histocompatibility complex, „Haupthistokompatibilitätskomplex“).
- Zytotoxische T-Zellen (CD8+): Ihre Hauptaufgabe besteht darin, virusinfizierte Körperzellen oder Tumorzellen gezielt zu erkennen und deren Zerstörung einzuleiten.
- Regulatorische T-Zellen (Treg): Diese Zellen sind die „Friedenstruppen“. Sie helfen, die Immunantwort zu begrenzen und zu unterdrücken, um zu verhindern, dass das Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift (Autoimmunität). Sie spielen auch eine Rolle bei der Entwicklung von Toleranz gegenüber harmlosen Fremdstoffen, wie z.B. in Lebensmitteln.
- Regulatorische T-Zellen (Treg): Diese Zellen sind die „Friedenstruppen“. Sie helfen, die Immunantwort zu begrenzen und zu unterdrücken, um zu verhindern, dass das Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift (Autoimmunität). Sie spielen auch eine Rolle bei der Entwicklung von Toleranz gegenüber harmlosen Fremdstoffen, wie z.B. in Lebensmitteln.
- B-Zellen und Antikörper: Dies sind die „Waffenfabriken“ des Körpers.1
- Wenn eine B-Zelle ein passendes Antigen erkennt, kann sie sich zu einer Plasmazelle differenzieren. Diese produzieren massenhaft Antikörper (Immunglobuline).
- Ein Teil der B-Zellen kann zu langlebigen Gedächtniszellen werden, die bei einem erneuten Kontakt schnell reaktiviert werden können.
- Wenn eine B-Zelle ein passendes Antigen erkennt, kann sie sich zu einer Plasmazelle differenzieren. Diese produzieren massenhaft Antikörper (Immunglobuline).
- Die Antikörper-Typen: Es gibt verschiedene Klassen von Antikörpern mit unterschiedlichen Jobs:
- IgM: Der „Ersthelfer-Antikörper“, der bei der ersten Reaktion auf einen neuen Erreger gebildet wird.
- IgG: Der Hauptantikörper bei einer Zweitinfektion; er ist der einzige, der die Plazenta überwinden und das Ungeborene schützen kann.
- IgM: Der „Ersthelfer-Antikörper“, der bei der ersten Reaktion auf einen neuen Erreger gebildet wird.
- IgA: Der „Schleimhaut-Beschützer“, der an Oberflächen wie im Darm und den Atemwegen vor Toxinen, Viren und Bakterien schützt.
- IgE: Stark mit allergischen Reaktionen und der Abwehr von Parasiten verbunden.
- IgA: Der „Schleimhaut-Beschützer“, der an Oberflächen wie im Darm und den Atemwegen vor Toxinen, Viren und Bakterien schützt.
Kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander🤝
Es ist entscheidend zu verstehen, dass diese beiden Säulen nicht isoliert voneinander arbeiten. Sie sind eng miteinander verbunden und arbeiten komplementär zusammen. Die Entwicklung der adaptiven Immunität wird durch die Aktionen des angeborenen Immunsystems unterstützt. Ohne die „Lageberichte“ der angeborenen Zellen wüsste die adaptive Spezialeinheit nicht, wann und wie sie angreifen soll.1
Immunisierung: Schutz und schnelle Hilfe
Die erworbene (adaptive) Immunität kann auf zwei Arten erworben werden: durch aktive oder durch passive Immunisierung.1

- Aktive Immunisierung: Hierbei geht es um die Produktion eigener Antikörper gegen ein spezifisches Antigen oder einen Erreger, nachdem der Körper diesem Antigen ausgesetzt war. Dies kann auf natürliche Weise durch eine Infektion geschehen oder künstlich durch eine Impfung. Impfstoffe können aus abgeschwächten Erregern, inaktivierten Organismen oder spezifischen Proteinen oder Kohlenhydraten bestehen, die bekanntermaßen eine Immunität auslösen. Effektive aktive Immunisierung erfordert oft den Einsatz von „Adjuvantien“, die die Fähigkeit des Immunsystems verbessern, auf die Antigeninjektion zu reagieren.1
- Passive Immunisierung: Dies bezieht sich auf die Übertragung von „fertigen“ Antikörpern von einem Individuum auf ein anderes. Dies kann auf natürliche Weise geschehen, zum Beispiel durch die mütterlichen Antikörper, die während der Schwangerschaft über die Plazenta auf den Fötus übertragen werden. Künstlich kann dies durch die Injektion von Antikörpern erreicht werden, die oft für diesen Zweck hergestellt werden und gezielt gegen einen bestimmten Erreger oder ein Toxin wirken. Diese Methode wird angewendet, wenn ein hohes Infektionsrisiko besteht und nicht genügend Zeit für den Körper ist, eine eigene Immunantwort zu entwickeln, oder um Symptome bei chronischen oder immunsuppressiven Erkrankungen zu lindern.1
Fazit zum Immunsystem
Dein Immunsystem ist ein Meisterwerk aus zwei eng verzahnten Systemen. Die angeborene Abwehr bietet einen schnellen, unspezifischen Schutzwall, der die erste Gefahr eindämmt und wichtige Informationen sammelt. Die adaptive Abwehr nutzt diese Informationen, um als lernfähige Spezialeinheit eine maßgeschneiderte und langanhaltende Immunität aufzubauen. Gemeinsam bilden sie eine schlagkräftige und dynamische Verteidigung, die dich jeden Tag schützt.
Referenz zu "Immunsystem Einfach Erklärt"
1. Marshall, J. S., Warrington, R., Watson, W., & Kim, H. L. (2018). An introduction to immunology and immunopathology. Allergy, Asthma & Clinical Immunology, 14(Suppl 2), 49.
Weiterführende Referenzen zum Immunsystem
Chaplin, D. D. (2010). Overview of the immune response. Journal of allergy and clinical immunology, 125(2), S3-S23.
InformedHealth.org [Internet]. Cologne, Germany: Institute for Quality and Efficiency in Health Care (IQWiG); 2006-. In brief: The innate and adaptive immune systems. [Updated 2023 Aug 14]. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK279396/